Expressionismus

Der deutsche literarische Expressionismus war eine wichtige literarische Bewegung des 20. Jahrhunderts. Hier informieren Sie sich darüber.

Der Expressionismus war eine wichtige literarische Phase (etwa 1910-20) innerhalb der Literaturrevolution. Diese Phase wurde deutlich vom Ersten Weltkrieg beeinflusst. Die Bezeichnung des Expressionismus wurde schon zwischen 1850-1880 als Stilbeschreibung und als Gruppensymbol in Amerika benutzt. In Frankreich war der Expressionismus auch der Titel eines Bilderzyklus im Jahre 1901. Direkt wurde diese Bezeichnung auf die deutsche Literatur wahrscheinlich von einer Gruppenausstellung der französischen Maler des Fauvismus und Kubismus übertragen. Der Expressionismus wurde durch S. Freuds Psychoanalyse, F. Nietzsches Kulturkritik (Gegenüberstellung vom Dionysischem und Apollinischem), die Lebensphilosophie H. Bergsons (Die Zeit könne subjektiv erfahren werden, man habe ein geistiges Gedächtnis, einen élan vital und eine l'evolution créatrice 1907) und E. Husserls Wesensschau beeinflusst und vorbereitet. Anfangs wurde die Beziehung von Ausdruck (Expression) und Abstraktion diskutiert. Die Entwicklung des Naturalisten Strindberg zum Dichter der Mysterien-, der Traum- und Visionsspiele wurde vom frühen Expressionismus als Vorbild angesehen. Die lebensbejahenden Langverse W. Whitmans und die Gedichte Ch. Baudelaires und des französischen Symbolismus waren vor allem einflussreich für den Expressionismus. Beeinflusst wurde er auch vom italienischen Futurismus, von F. M. Dostovjewskijs Werk, von Mystik und Barock, von Dramen H. v. Kleists, Ch. D. Grabbes, G. Büchners, von der Prosa Jean Pauls und den Gedichten F. Hölderlins.

Der Expressionismus kann als eine Reaktion auf den naturwissenschaftlich orientierten Naturalismus betratet werden. Er war auch ein radikaler Gegenschlag gegen den Impressionismus, der die äußeren Eindrücke ästhetisierte, gegen den Jugendstil, der eine dekorative Formkunst darstellte, gegen Neuromantik und Neuklassik. Ende der 20er Jahre wurde der Expressionismus von der Neuen Sachlichkeit, einem kritischen Realismus ersetzt. Soziologisch war der Expressionismus eine Protestbewegung der jungen Generation gegen das selbst genügsame wilhelmische Bürgertum, das auf alten Autoritätsstrukturen beruhte und leere Bildungsideale hatte. Er protestierte auch gegen das kapitalistische Wirtschaftssystem und sein imperialistischen Tendenzen, gegen eine zunehmende Industrialisierung und destruktive Mechanisierung des Lebens, gegen die Selbstentfremdung und die Geringschätzung und Unterdrückung des Menschen und der menschlichen Bedürfnisse. Der Expressionismus protestierte durch Ausdruck und Schrei. Er war radikal und ekstatisch. Er glaubte, daß die Menschheit am Weltendebefand und der jünste Tag nah sei. Er glaubte an Individualismus, individuellen und neuen Menschen, brüderlichen Mitmenschen und rauschhaft an Natur, Kosmos und Welt. Zahlreiche oft kurzlebige Zeitschriften, Publikationsfolgen enthielten immer neue Einsätze, Prinzipien, Abgrenzungsversuche, Programme, Manifeste, und Aufrufe.

Diese rebellische Bewegung der Jugend setzte sich zugleich mit den Vätern auseinander. Der Vater-Sohn-Konflikt war ein wichtiges Thema in der Erzählung (F. Kafkas "Das Urteil"), im Drama ("Der Sohn" von Hasenclever) und im Gedicht ("Oedipus" von J. R. Becher). Der Expressionismus war vor allem einflussreich in der Lyrik. Interessante Titel sind: "Der Aufbruch", "Sturz und Schrei", "Erweckung der Herzens", "Aufruf und Empörung", Liebe der Menschen".

Während des Ersten Weltkriegs wurde die erzählende kurze Prosawichtiger. "Der jünste Tag" war repräsentativ für diese expressionistische Erscheinung. Zu den wichtige Autoren zählen A.Ehrenstein "Tubusch", C. Einstein ("Bebuquin oder die Dilettanten des Wunders"), A. Döblin ("Die Ermordung einer Butterblume") G. Heym ("Der Dieb"), F. Kafka ( "Der Heizer", "Die Verwandlung", "Das Urtei"), C. Steinheim ("Busekow", "Napoleon", "Schuhlin").

Das Drama war ein wesentlicher Beitrag zur zweiten Phase des Expressionismus seit etwa 1915. Hauptvertreter sind R. J. Sorge ("Der Bettler"), W. Hasenclever ("Der Sohn", "Menschen" ), Kornfeld ("Die Verführung"), H. Johst ("Der junge Mensch"), R. Goering ("Seeschlacht"), F. von Unruh ("Ein Geschlecht", "Platz"), E. Barlach ("Der tote Tag", "Der arme Vetter"), E. Toller ("Die Wandlung", "Masse Mensch"). C. Sternheims Komödien "Aus dem bürgerlichen Heldenleben", G. Kaisers "Die Koralle", "Gas I" und "Gas II"; O. Kokoschkas "Mörder, Hoffnung der Frauen" und "Der brennende Dornbusch"; A. Döblins "Lydia und Mäxchen" und W. Kandinskys "Der gelbe Klang" sind auch bedeutend. Als Reaktion auf die Kriegserschütterung wurde "Wandlung" ein wichtiges Thema. Stadelmann-Ringen verlangte "Bekenntnis- und Befreiungsdrama", R. J. Sorge "dramatische Sendung" und H. Johst "ekstatisches Szenarium". Es gab Ich-Dramen, Bilderserien, Pflichtdramen, Passionen oder Schrei-Dramen. Typisch für das expressionistische Drama waren nicht nur lange Monologe, lyrisch-hymnische Bilderfolgen, sondern auch Gebärde, Tanz, Pantomime, zeitloses Kostüm, abstraktes Bühnenbild und eine neue Beleuchtungstechnik. Es ging nicht mehr um Charakter, sondern um "Seele" oder "Psyche", und die Figuren erschienen weitgehend als überindividuelle Typen und totale Ich-Projektionen. Diese Dramen waren aber sehr erfolgreich.

D er Sprachstil des Expressionismus war nicht einheitlich. Sie war ekstatisch übersteigert, metaphorisch, symbolistisch überhöht und versuchte, die traditionelle Bildungssprache zu zerstören. Sie betonte die Ausdrucksfähigkeit und Rhythmen, die fließen, hämmern oder stauen können. Sprachverknappung, Ausfall der Füllwörter, Artikel und Präpositionen, Worthäufung, nominale Wortballungen, Betonung des Vers, Wortneubildung und neue Synstaxformung waren ausschlaggebend für den Expressionismus.

Der erste Weltkrieg verhinderte viele Theater- und Veröffentlichungspläne der ersten Phase des Expressionismus. A. Lichtenstein E. Stadler, G. Trakl, R. Sorge, G. Sack u.a. fielen ihm zum Opfer. Die expressionistischen Autoren gaben ihre anfängliche ambivalente Haltung auf und nahmen eine zunehmend pazifische Haltung ein. Schliesslich ging die expressionistische Bewegung auseinander: Die einen wie Johst bejubelten Hitler als neuen Mensch, die anderen wie Becher salutierten der sowjetischen Oktoberrevolution.

Weiterführende Literatur:

Knapp, G.P.: Die Literatur des deutschen Expressionismus. München 1979.

Stark, M.: Für und wider den Expressionismus. Stuttgart, 1982.


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